Sexualität von Menschen mit Behinderungen ist leider nach wie vor immernoch ein Tabuthema. Oder sagen wir mal so, es glaubt kaum einer daran, dass auch Menschen mit Behinderungen verlangen nach Sex und Zärtlichkeit haben. Dies wurde mir, seitdem ich mit Marco zusammen bin, immer deutlicher vor Augen gebracht. Nach meinen Bedürfnissen fragt kaum einer, eigentlich so gut wie keiner.

Immer heißt es nur: "Wie hällt ER das nur aus?"
Diese Frage kann ich nicht mehr hören.
Warum interessiert es die Leute so sehr?
Warum wird nur nach Marco gefragt?
Benötigen Frauen keinen Sex?
Haben wir kein Recht auf eine Privatsphäre?

Dies zeigt deutlich, dass vielen Menschen mit Behinderung nicht zugesprochen wird, Sexualität zu erleben und zu geben.

Viele können wahrscheinlich nicht glauben, dass es wirklich Menschen gibt, die nicht aufs Äußere schauen, sondern denen die inneren Werte wichtiger sind und sie fragen sich, wie man sich auf solch eine Beziehung wie mit mir einlassen kann. Marco ist eben nicht oberflächlich und sieht in erster Linie in mir den Menschen und nicht die Erkrankung und davor sollte man großen Respekt haben. Aber ich bin mal ganz ehrlich, egal ob jemand nicht an unsere Liebe glauben sollte, dass hat niemanden etwas anzugehen, dass ist unsere Beziehung, unser Leben und da hat sich keiner einzumischen. So langsam sollten einige mal lernen, dass ich trotz Hilflosigkeit, trotz körperliche Behinderung ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen bin wie jeder andere auch. Ich bin erwachsen und schon lang kein kleines Mädchen mehr. Marco tut mir sehr gut, er ist das größte Glück was ich je hatte.
Als Marco und ich uns kennenlernten, hatte ich auch angst mich auf ihn einzulassen, auch wegen dem Thema Sex. Viel zu groß war meine Angst wegen meiner Behinderung und der damit eventuell verbundenen Überforderung verlassen zu werden. Durch das Internet wurde uns der Flirtfaktor leichter gemacht. Hier stand der Computer zwischen uns beiden. Im Chat kommt es nicht auf Äußerlichkeiten an, sondern hier steht der Charakter der beiden Menschen im Vordergrund. So können Barrieren in den Köpfen der nicht Behinderten erst gar nicht entstehen. Auch die gegenseitige Scheu ist nicht vorhanden. Im Chat sind alle gleichgestellt. Nur so hatten wir die Möglichkeit uns näher zu kommen, ohne dass die körperliche Einschränkung dies erschwert. Doch die Gefühle wurden immer stärker und dann musste man sich entscheiden, Risiko oder nicht?
Wir entschieden uns für Risiko. :-)
 
Klar, für Menschen mit Behinderungen ist es in vielen Fällen schwierig Sexualität ausleben zu können, je nach Behinderung, auch kaum möglich. Selbst viele Betroffene sehen Ihre Körper als sexuell unattraktiv. Da zähle ich mich auch zu, aber dennoch, Verlangen und Bedürfnisse habe auch ich. Und das nicht weniger, als wie vor miner Erkrankung.
 
Und was bedeutet überhaupt
Sexusalität und Erotik?
Für jeden Menschen kann Sexusalität und Erotik etwas anderes bedeuten.
Sexualität ist etwas Schönes, etwas Sinnliches.
Etwas, was jeder Mensch in irgendeiner Weise braucht.
Sexualität wird von Menschen in verschiedenster Weise ausgelebt.
So kann allein das Handhalten des Partners sinnlich sein.
Trotz der unterschiedlichen Wahrnehmungen zu Sexualität ist der Grundgedanke bzw. das Grundbedürfnis bei allen Menschen das Gleiche: Wärme, Zärtlichkeit und Liebe soll dahinter stehen.
 
Natürlich ist das Ausleben von Sex mit einem nicht behinderten Partner viel leichter umzusetzen, als wenn beide eine Behinderung haben. Die Flexibilität beginnt schon bei kleineren Unternehmungen bis hin zum Austausch von Zärtlichkeiten.
Trotzdem ist vielen nichtbehinderten Menschen nicht klar, dass Menschen mit Behinderungen auch ihre Sexualität ausleben möchten. Viele empfinden dies als nicht Richtig.
 
Doch für mich gibt es kein Richtig und kein Falsch.
Wichtig ist meiner Ansicht nach nur, dass jeder seine sexuelle und partnerschaftliche Erfüllung findet.
 
Für mich bedeutet Liebe und Sexualität so viel:
Es ist wunderbar, wenn man jemanden hat, mit dem man sich austauschen kann,
bei dem man die Seele richtig baumeln lassen kann. Egal, ob man miteinander lacht oder die Schattenseiten des Lebens gemeinsam durchsteht. Das Gefühl aneinander zu haben, dass eine gewisse Vertrautheit da ist. Das wir aufeinander Bauen können und einfach genießen, dass hier wer ist, für den man eine wichtige Rolle im Leben spielt.
Viele werden sich auch fragen, wie ist das mit dem Sex, da Sex doch nun mal zu einer Beziehung gehört.
Ich bin mir zu 100% sicher, dass jeder denkt, in meiner Situation kann man keinen Sex haben. Und viele werden sich fragen: "Wie hält ein Mann das aus? Doch dazu möchte ich sagen, dass ich klar verstehe, dass in erster Linie so gedacht wird, da ich mich nun mal kaum bewegen kann. Aber dennoch ist es so, dass nicht nur Männer Bedürfnisse haben, geschweige denn nur gesunde Menschen. Auch ich habe trotz Behinderung verlangen nach Sex und in meinen Augen ist es auch ganz natürlich, dass man dem Menschen, den man liebt nah kommen möchte. Aber ob wir Sex haben, oder wie wir uns anderweitig nah kommen ist unser Privatleben. Man brauch vielleicht viel Fantasie und Not macht ja bekanntlich erfinderisch.
Ob Sex oder eben keinen Sex, wichtig ist unsere Liebe. Denn für uns ist die Liebe so viel mehr als nur Sex. Denn die Liebe besteht nicht darin, dass man Küsse bekommt, einen Körper zum ficken hat, sondern das man einen Menschen gefunden hat, der eine Schulter zum anlehnen ist, der dir die Hand gibt, wenn es dich nach unten zieht. Ich denke wer Sex über die Liebe stellt, weiß nicht was wahre Liebe ist. Sie stellt keine Bedingungen. Wichtig ist doch, dass man überhaupt irgendwie Körperkontakt haben kann. Außerdem ist Sex viel mehr als nur poppen, man kann sich auch anderweitig befriedigen, nicht nur beim reinen Geschlechtsverkehr. Streicheleinheiten sind meistens viel intensiver als Sex. Natürlich ist Sex schön, sehr schön sogar, aber Sex ist nicht alles im Leben, auch wenn es Menschen gibt die das glauben. Sex fragt nicht an schlechten Tagen wie es mir geht und Sex ist für mich „nichts wichtiges was ich schätze„ sondern mein Partner schätze ich jeden Tag aufs neue.

SEX "KÖNNTE“ MAN IMMER HABEN, ABER EINEN BESONDEREN WERTVOLLEN MENSCHEN NICHT UND DESWEGEN SOLLTE MAN ODER MUSS MAN ABSTRICHE MACHEN.

Die Liebe kennt kein Alter, keine Krankheit und keine Entfernung. Sie kennt nur die Sehnsucht nach Nähe, dass Verlangen nach der Liebe des gegenüber oder dem Herzschlag im takt des Lebens. Wer nicht liebt ist ein wenig weiter weg vom Glück des Lebens.